Sicherheit als Kultur leben – Mathias Leben über Unfallvermeidung

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Sicherheit als Kultur leben

Mathias Leben über Unfallvermeidung am Arbeitsplatz

Eine Sicherheitskultur, die gelebt werden soll, muss von den Mitarbeitenden getragen werden. Dank ihrer Vorsicht konnten wir unsere Arbeitsunfälle im vergangenen Jahr um die Hälfte reduzieren – auf gerade einmal 1,4 Unfälle mit mindestens einem Tag Arbeitsausfall je einer Million geleisteter Arbeitsstunden. Ein Spitzenwert, wenn man die Zahlen betrachtet. Mehr als einer zu viel, wenn man Mathias Leben fragt. Wie diese Zahl nicht nur niedrig gehalten, sondern auch verbessert werden kann, beantwortet uns der Head of Occupational Safety and Health (OSH) bei Materials Services im Interview.

Es geht darum, alle Mitarbeitenden einzubinden und gemeinsam die Sicherheitskultur weiterzuentwickeln. Das fängt bei täglichen Angeboten und Gesprächen an …

Im Geschäftsjahr 21/22 konnte die Zahl der weltweiten Arbeitsunfälle bei Materials Services auf 1,4 pro 1 Million gearbeiteter Stunden reduziert werden. Wie ist das gelungen?

Wichtig ist, dass alle mitmachen und verstehen, was wir tun. Seien es unsere Mitarbeitenden, die täglich an den Maschinen arbeiten, oder unsere OSH-Expert:innen, wenn es um ihre Aufgaben geht. Aber auch die Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle. Sie sollen das Verständnis in ihre Teams tragen und als Vorbilder dienen. Das können wir nur erreichen, indem wir alle Ebenen des Unternehmens einbinden. Uns anhören, wo versteckte Gefahren lauern, Ideen aus unseren Betrieben aufnehmen und sie dann im Kreis der Expert:innen diskutieren. Nur so kann es gelingen, dass alle von den Maßnahmen überzeugt sind und sagen können: „Das macht Sinn. Lasst uns das gemeinsam umsetzen.“

Reduktion der Unfallzahlen seit 2017

Wie lässt sich das in konkrete Maßnahmen für den Arbeitsalltag übertragen?

Es geht darum, alle Mitarbeitenden einzubinden und gemeinsam die Sicherheitskultur weiterzuentwickeln. Das fängt bei täglichen Angeboten und Gesprächen an, wie unserem Daily Safety Talk. Dabei klären die Kolleg:innen einer Schicht zu Beginn: „Was steht heute an? Wo sind mögliche Risiken? Was müssen wir heute besprechen?“ Schließlich kann jeder Tag ein potenzielles Risiko bergen. Vor allem wenn ich seit 10 Jahren dieselben Maschinen bediene, bin ich vielleicht irgendwann der Meinung, alles im Griff zu haben – denke, die Maschine ist mein Freund. Das ist auch gerade im Hinblick auf unseren aktuellen Erfolg wichtig: Je niedriger die Unfallzahlen, desto mehr könnte man denken, alles unter Kontrolle zu haben. Dabei besteht jeden Tag das gleiche Risiko, sich zu verletzen. Deshalb müssen wir die Aufmerksamkeit unverändert hoch halten.

Stichwort Aufmerksamkeit hoch halten: Wie wird das Thema intern kommuniziert?

Unseren Mitarbeitenden muss klar werden: Es kann allen passieren. Also müssen wir unsere Belegschaft emotional erreichen und mehr machen als Poster aufhängen oder Flyer verteilen. Über unsere internen Kanäle bereiten wir das Thema Arbeitssicherheit regelmäßig für unsere Mitarbeitenden auf und bauen unterschiedliche Perspektiven ein. Beispielsweise hat unser Kollege Nico Schmidinger, der eine schwere Handverletzung erlitten hat, in einem Video sehr persönlich über seinen Unfall berichtet. Das führt natürlich zu Betroffenheit bei den Zuschauer:innen und zeigt: Es kann jeder und jedem passieren. Darüber hinaus haben wir unter dem Namen „RiskBuster@MX“ eine Schulungsreihe ins Leben gerufen. In Videoclips veranschaulicht der ehemalige Stuntman Holger Schumacher verschiedene Situationen im Arbeitsalltag von gewerblichen Mitarbeitenden, in denen Risiken lauern und Unfälle passieren können. An unseren Standorten setzen wir auf teamorientierte Dialogformate wie den „Safety Talk & Walk“. Hier beleuchten wir Gefährdungen in unseren Betrieben, gehen Arbeitsabläufe durch und diskutieren gemeinsam Unfallpotenziale. Durch den Einsatz verschiedener Formate können wir unsere Mitarbeitenden auf allen Ebenen für Gefahren sensibilisieren. Und sie ermutigen, immer auf sich und andere zu achten.

Wie würden Sie das Vorgehen beschreiben? Was findet im Hintergrund statt, um die Maßnahmen strategisch auszurichten?

Eine genaue Analyse der Unfälle bietet die fachliche Grundlage – eine klare Organisation die strukturelle. Um zielgerichtet arbeiten zu können, muss ein regelmäßiger Austausch mit OSH-Expert:innen an allen Standorten gewährleistet und die Hauptunfallschwerpunkte müssen klar sein. Dabei sehen wir die größten Gefahren in drei Bereichen: Flurförderzeuge wie Gabelstapler, Hand- und Armverletzungen, die bei der Bedienung von Maschinen oder dem Handling von Materialien auftreten, und schwebende Lasten, die beim Transport unserer Waren zum Risiko werden können. Auf dieser Basis haben wir Initiativen gestartet und zielgerichtete Maßnahmen abgeleitet.

Und auch wenn wir nicht alle Risiken beseitigen können – es ist unsere Pflicht, sie weiter zu minimieren.

Was, wenn es trotz aller Vorkehrungen zu einem Vorfall kommt? Welche Unterstützung erhalten die Betroffenen im Unternehmen?

Wenn ein Unfall passiert, können sich unsere Mitarbeitenden sicher sein, dass wir helfen. Sei es dabei, Beschäftigte, die nicht mehr ihren ursprünglichen Beruf ausüben können, umzuschulen oder indem wir sie in der Nachsorge persönlich anrufen. Nachfragen, wie es ihnen geht und was man für sie tun kann. Das beginnt mit unseren Führungskräften, zudem bieten wir professionelle Unterstützung in Form einer psychosozialen Hotline an. Bis hin zu individuellen Lösungen, die wir je nach persönlicher Situation der Mitarbeitenden finden, um die Beschäftigten zu entlasten.  

Wie wollen Sie Ihre Arbeit im nächsten Jahr weiterführen?

Wir wollen noch mehr dafür sorgen, dass die Gefahrenwahrnehmung bei Menschen, die länger an derselben Maschine arbeiten, erhalten bleibt. Dafür werden wir uns mit dem Thema Interaktion zwischen Mensch und Maschine erneut befassen. Und auch die Weiterentwicklung der Sicherheitskultur rücken wir 2023 stärker in den Fokus. Dazu führen wir in Begleitung mit dem Institut für angewandte Arbeitswissenschaft in Düsseldorf ein verhaltensbasiertes Programm ein, im Zuge dessen sich Mitarbeitende durch positives Feedback zu sicheren Verhaltensweisen ermutigen sollen. Denn wir dürfen bei allem Erfolg nicht vergessen: Jeder Unfall ist einer zu viel. Und auch wenn wir nicht alle Risiken beseitigen können – es ist unsere Pflicht, sie weiter zu minimieren.